National feiern (Teil 2)

Der 11. Februar war der japanische Nationalfeiertag und in verschiedenen Teilen des Landes fanden sowohl nationalistische, auch von rechtsextremen Gruppen getragene Veranstaltungen statt wie auch linke, antinationale Gegenproteste.

Nachdem ich im ersten Teil des Artikels auf die historischen und ideologische Hintergründe des Nationalfeiertags als solchen eingegangen bin, widme ich mich in diesem Teil den linken Protesten und nationalistischen Feierlichkeiten.

Antinationalistische Demonstration linksradikaler Gruppen gegen den japanischen Kaiser, 11.2.2020 in Tokyo

Marschorchester verschiedener japanischer Eliteuniversitäten setzen sich am Morgen des 11.2.2020 vor tausenden Schaulustigen auf Tokyos Omotesandō Avenue in Bewegung. Ihnen folgen traditionelle SchreinträgerInnen. Gemeinsam zieht man zum Meiji-Schrein, eines dem der wichtigsten nationalen und religiösen Symbole Japans, das auch eines der meistbesuchten TouristInnenziele ist. Tracht und Nationalflaggen gibt es zuhauf zu sehen – schließlich ist Nationalfeiertag. Aber trotz allem scheint es, als wäre diese, auch touristisch beworbene Parade eine relativ harmlose Zelebration japanischen Patriotismus. Keine nationalistischen Reden und kein Militär. Stattdessen Volksfestcharakter. Da hat man schon weitaus schlimmeres gesehen.

Nur ein paar Fahnen und Folklore? Nationalfeiertagsparade in Tokyo, Bilder vom 11.2.2019

Nach der Parade fängt der offizielle Teil an. Im Veranstaltungssal des Meiji-Schreins finden sich VertreterInnen des japanischen Regierung und Oppositionsparteien, sowie ausländische BotschafterInnen ein. Die japanische Nationalhymne wird gesungen. Ein klassischer Staatsakt, möchte man meinen. Ist es aber nicht.

Als Veranstalter fungiert das Komitee zur Abhaltung der Feiern zum japanischen Nationsgründungstag (日本の建国を祝う会), eine 1987 gegründete private Organisation, die sich historisch und inhaltlich in der Tradition der rechten Nachkriegsbewegung zur Wiedereinführung eines Nationalfeiertages sieht. Wie ich bereits im ersten Teil dieses Artikels geschrieben habe, wurde der Nationalfeiertag aufgrund seiner offenen Tennō-faschistischen Ausrichtung von den amerikanischen Besatzungsbehörden verboten und erst 1966 unter anderem Namen wieder eingeführt. Ein politischer Erfolg für die japanische extreme Rechte, auf den sie bis heute stolz ist. Das Komitee zur Abhaltung der Feiern zum japanischen Nationsgründungstag bezieht sich nicht nur offen auf diese Bewegung, sondern stellt (ganz der Tradition folgend), auch Forderungen an die japanische Regierung.

„Als 2014 Premier Shinzo Abe die Unterhauswahlen mit einem Erdrutschsieg gewann und somit wieder an die Macht kam, war eines der Wahlversprechen seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) gegenüber dem japanischen Volk, dass es wieder eine staatliche Nationaltagsfeier geben wird. Dies wurde bis heute nicht umgesetzt. Ich bitte hier also noch einmal mit Nachdruck, dass dieses Wahlversprechen umgesetzt wird!“

Quelle: Youtube


Mit diesen Worten eröffnete Yasuo Ōhara die zentrale Feier zum japanischen Nationalfeiertag. Ōhara ist emerierter Uni-Professor und Mitunterzeichner einer 2007 vom ultra-nationalistischen TV-Sender „Sakura Channel“ vorgebrachten Petition, welche die Zwangsprostitution von Mädchen und Frauen durch die japanische Armee im zweiten Weltkrieg leugnet. Und so ganz nebenbei ist er auch noch Vorsitzender des
Komitees zur Abhaltung der Feiern zum japanischen Nationsgründungstag .

Nach ihm übernahmen RednerInnen zweier anderer japanischer Rechtsparteien das Mikro. Die Premiers-Partei LDP ebenso wie deren Abspaltung „Partei der Hoffnung“ und die die japanischen „Innovationspartei“. Alle VertreterInnen treten offen für eine Verfassungsänderung ein. Ein Ziel, welches sich die japanische Rechte schon seit Jeher auf die Fahnen geheftet hat. Schließlich gehe es darum, sich vom „Nachkriegs-Regime“ zu befreien, wie es Shinzo Abe auf der gleichen Veranstaltung 2012 Jahre zuvor forderte. Damit gemeint ist, dass die derzeitige Verfassung eine dem japanischen Staat von der USA auferzwungene sei und man sich „Japan zurückholen“ muss, wie es in einem von Abe erfundenen Slogan der LDP heisst.

Was genau „zurückgeholt“ werden soll, wird mit einem Blick auf weitere RednerInnen der jährlichen Nationalfeiertags-Zeremonie im Meiji Schrein klar. Die Festrede hielt 2018 Tetsuo Itō, einer der Chefideologen Abes und Sprecher des „Japan Policy Institute“ (日本政策研究センター), eines offen revisionistischen rechten Think-Tanks. Neben des für die japanische Rechte üblichen Revisionismus (zb. Leugnung der „Trostfrauen“), propagiert das Institut auch eine offen homophobe, sexistische Familienpolitik. Oder um es in den Worten des einflussreichen Tetsuo Itō selber zu sagen:

Gegen die nie zur Ruhe kommende Maschine des linken Macht dürfen wir uns nicht an der Nase herumführen lassen, das wäre unser Selbstmord. Jetzt ist die Zeit gekommen in der wir beginnen müssen aktiv zurückzukämpfen.

– Quelle:Wikipedia

Als Highlight wird bei der Feier im Meiji-Schrein dann noch das Nationalgründungstag-Lied (紀元節の歌) gesungen. Dieses wurde 1897 geschrieben, ist ein Loblied auf den japanischen Gottkaiser und wird seit 1945 bei staatlichen Anlässen nicht mehr gespielt. Da ist es natürlich nur praktisch, dass es sich bei der Zeremonie im Meiji-Schrein offiziell um keine staatliche Veranstaltung handelt.

LDP-Abgeordnete Mio Sugita bei einer von der Japan Konferenz organisierten Nationaltagsfeier. Sugita ist Revisionistin und bezeichnete homosexuelle als „unproduktiv“ und deswegen keine Investition von Steuergeldern wert wären.

Dass sowohl das Komitee zur Abhaltung der Feiern zum japanischen Nationsgründungstag als auch das Japan Policy Institute engste Verbindungen zum wohl bedeutendsten rechtsextremen Thinktank, der Japan Konferenz (日本会議) haben und diese als Mitveranstalterin der Zeremonie im Meiji-Schrein fungiert, brauche ich hier wohl nicht zu erwähnen. Diese Japan Konferenz war es dann auch, die die Aufgabe übernahm Japanweit ein dutzend nationalistischer Nationalfeiertags-Veranstaltungen zu organisieren. Dort sprachen dann einerseits etwa AktivistInnen der außerparlamentarischen extremen Rechten wie etwa der in Japan lebende US-Amerikaner Kent Gilbert in der Stadt Obihiro. Natürlich war auch die LDP mit RednerInnen vertreten, erwähnt sei an dieser Stelle beispielsweise der Parlamentsabgeordnete Shigeharu Aoyama der in Chiba seinen Auftitt hatte. Aoyama ist, das versteht sich wohl von selbst, Trostfrauen-Leugner.

Militante Rechtsextreme bei der Naionaltags-Feier am Kashihara-jingū-Schrein, 11.2.2020, Quelle:
@Nara_jisya

Anti-nationalistischer Widerstand

Die bisher beschriebenen nationalistischen Veranstaltungen stellen freilich nur einen Bruchteil dessen da, was japanische NationalistInnen am Nationalfeiertag auf die Beine stellen. Ein umfangreicher Blick auf den außerparlamentarischen, mitunter militanten Arm der japanischen extremen Rechten zu werfen, würde jeglichen Rahmen dieses Artikels sprengen.

Stattdessen will ich zum Abschluss noch einen Blick auf anti-nationalistische Proteste zum Nationalfeiertag werfen. Aus diesem Grund begab ich mich am 11.2.2020 in den Tokyoter Bezirk Bunkyo, wo das Owaten-Netzwerk (Abkürzung für „Ende des Kaisers-Netwerk“) im Anschluss auf eine Diskussionsveranstaltung noch eine Demo organisierte. Noch während der Diskussionsveranstaltung fingen die ersten rechtsextremen Kundgebungen an. „Tötet die Tenno-Gegner!“ war eine Parole, die mehrfach zu hören war.

„Wir brauchen kein Kaisersystem“. Demo gegen den Nationalfeiertag am 11.2.2020 in Tokyo

Umringt von mehreren hundert PolizistInnen der Bereitschaftspolizei Kidō-Tai (機動隊) waren es nur an die 130 Linksradikale, die nicht nur die japanische Monarchie, sondern den japanischen Staat als solchen ablehnten. Die Polizei als solche erfüllte dabei augenscheinlich zwei Aufgaben. Einerseits ist es die Darstellung an sich friedlicher und zahlenmäßig marginaler linksradikaler Proteste als öffentliche Bedrohung, vor der die Bevölkerung mittels schwer bewaffneter Polizei geschützt werden muss. Einerseits ist es de facto auch ein Schutz vor rechtsextremen Angriffen. So versuchten militante RechtsextremistInnen fast laufend die Demo tätlich anzugreifen. Dabei kam es auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Interessant war hierbei aber, dass ich keinen einzigen Rechtsextremisten beobachten konnte, der festgenommen wurde. Zwar wurden die meisten von der Polizei kurz zur Seite genommen, nach wenigen Minuten aber wieder kaufen gelassen. Dies steht im krassen Kontrast zu den Festnahmen bei einer linksradikalen Anti-Kaiser-Demo im Oktober 2019, als drei AkitvistInnen wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt festgenommen wurden. Die Demo war freilich vollkommen friedlich.

Neben den Riot-Cops wurde die Demo auch von mehreren Dutzend VerfassungsschutzbeamtInnen begleitet, die fleissig filmten und notierten.

Finde die Demo! Verfassungsschutz (in Rot und mit Masken) und Riot-Cops umringeg etwa 120 DemonstrantInnen

Tabuzone

120 Menschen auf einer anti-nationalistischen Demonstration gegenüber einer Vielzahl an landesweiten Veranstaltungen die die Regierung in Zusammenarbeit mit offen rechtsextremen Privatvereinen durchführt. Ist das die Bilanz des japanischen Nationalfeiertages? Wo sind die mehreren tausend Leute, die nur wenige Wochen zuvor gegen die japanische Regierung demonstrierten? Eine Aktivistin des Owaten-Netzwerks erklärte mit im Gespräch, dass der Widerstand gegen den japanischen Kaiser und somit die Fundamente der japanischen nationalen Ideologie ein Tabu darstellt. „Egal wie links sich viele Leute geben, das ist den meisten zu radikal. Schließlich werden sie in der Schule dazu erzogen, den Kaiser zu verehren“.

Ein Gedanke zu „National feiern (Teil 2)

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