Die ersten Schritte…

Disclaimer: Diesen Post habe ich über zwei Tage lang geschrieben. Deswegen sitze ich zuerst „in einem kleinen Cafe und Warte auf die Mutter meines Freundes“ worauf ich danach schon mit der Mutter am Essenstisch sitze. Is halt so.

Gerade eben sitze ich in einem kleinen Cafe in Choufu, einem Stadtviertel Tokyos und die zwei Kellnerinnen finden’s super-lustig, dass ich die Bedeutung des Wortes よろしい/yoroshii/bitteschön/alles Gute nachschlagen musste. Ich lache mit ihnen, schlürfe einen random Softdrink und erhole mich von der brütenden Hitze, die hier in Tokyo herrscht. In einer halben Stunde werde ich von der Mutter eines tokyoter Freundes zu ihrem Haus abgeholt, wo ich die nächsten Tage übernachten kann. Doch erstmal alles der Reihe nach…

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Ich bin das erste mal geflogen. Jepp, das erste mal. Und das mit 31 – ja, zerreist euch ruhig das Maul darüber 😛 Wie es war? Ich kann’s kaum in Worte fassen. Während des Fluges musste ich mich an eine Szene aus dem Samurai-Anime „Rurouni Kenshin“ erinnern, in der einer der Charaktere das erste mal mit dem Zug fährt und vor Angst entsetzt darüber ist „wie denn soviel Eisen sich von alleine Bewegen kann“. Nun, so ist es mir auch gegangen. Ich hatte, als alter Höhenangst-Schisshase die Hosen gestrichen voll, als sich die Tonnen von Metall wie von Zauberhand in die Luft hoben. Ja, man gewöhnt sich irgendwie daran, aber meine ganzen Jahre als zivilisationsfeindlicher Straßenpunker haben halt Spuren der Skepsis hinterlassen in Hinblick auf die gemütlichen Seiten der menschlichen Schaffenskraft, wie es etwa das Fliegen ist.

10.000 Meter in der Luft

Vom kleinen und unglaublich langweiligen Budapester Flughafen ging binnen ein paar Stunden auf den Flughafen Instanbul. „Chaos“ ist das Wort, das mir am ehesten dazu einfällt. Ein riesiger Flughafen der aus allen Nähten zu platzen drohte. Menschen unterschiedlichster Nationalitäten, wohin das Auge reicht, quasi ein Stadtstaat für sich selber, nur dass die EinwohnerInnen dieses Mikrokosmos‘ meist nur wenige Stunden dort verbleiben und dann ihre Wege weitergehen. Es erinnerte mich ein wenig an dystopische cyberpunk-Comics/Filme, die ich in meinem Leben gesehen habe. Alles bunt, alles laut, alles chaotisch – und nichts bleibt bestehen.

Die nächsten 12 Stunden ging es dann mit einem noch größeren Fluggerät nach Tokyo. Was war ich froh, einen Fensterplatz ergattern zu können, schließlich flog der Flieger auf 10.000 Meter Höhe und so konnte ich beispielsweise Peking (bist du deppat wie Riesig) und einen Meeresgewitter von oben sehen. Ein Gewitter in der Nacht von oben zu sehen ist arg. Da schaut man runter auf ein Meer dunkler Wolken und hie und da blitzt in weiter Ferne etwas auf…
Schlafen konnte ich ob des Fluglärms übrigens auch in dieser Nacht keine Sekunde. 2 Tage ohne Schlaf also. Wieso ich überhaupt noch auf den Beinen stehe, weiß ich selber nicht, der Jetlag wird mich früher oder später aber wohl volle Wucht erwischen.

Der Flughafen Narita war im Gegensatz zum Istanbuler Chaos übrigens ein Witz. Total ruhig, nur wenige Leute und der Boden hatte sogar einen Teppichboden. Es fühlte sich an wie ein zu groß geratenes Wohnzimmer und die Zollbeamten waren recht beeindruckt davon, dass ich mit ihnen ein wenig auf Japanisch sprechen konnte. Da war auch der Fakt schnell vergessen, dass mein Zelt irgendwo auf der Verladestation in Istanbul hängengeblieben ist. Übrigens ziemlich beschissen angesichts der Tatsache, dass ich vorhabe auch einige Tage im Freien und auf einem Festival zu übernachten. 仕方ない/shikatanai/kann man wohl nix machen…

Im Raucherbereich des Flughafens lernte ich dann ein Original der Extraklasse kennen. Es war ein alter, kettenrauchender bayrischer Geschäftsmann, den es vor Jahrzehnten nach wegen der Arbeit nach Tokyo verschlug und der mittlerweile mit seiner japanischen Frau und seinen sieben (!) Kindern einmal im Jahr nach Japan kommt um in seinem Wochenendhaus in den Bergen zu entspannen. Ich fragte ihn Löcher in den Bauch, vor allem was die japanische Businnes-Kultur angeht.

Während wir also auf der Fahrt so palaverten, kam Tokyo in Sicht. Und der erste Anblick war schlicht hässlich. Riesige, und ich meine RIESIGE Bürohäuser und Wohnblocks. Betonklötze, die ohne jegliches Gefühl für Ästhetik mitten in die Landschaft gepflanzt wurden. Ich war schon mal in Minsk, welches aussieht als hätte Stalin dort Plattenbau-SimCity gespielt. Aber das hier war nicht nur hässlich, sondern auch doppelt und dreifach so groß.

Pyöngy... Nein, Tokyo!

Zum Glück änderte sich der Anblick recht schnell, als wir in Tokyo ankamen. Einerseits diese riesigen und immer noch hässlichen Bürogebäude, aber andererseits gab’s zumindest dort wo ich ankam (beim Bahnhof) auch viele enge, kleine Gassen.
Mein bayrischer Begleiter stiftete mich gleich zum ersten Gesetzesverstoß an, indem er sich eine Zigarre anzündete, was ich dann auch tat. Nach gefühlten 263 Stunden im Flugzeug war mir das jetzt auch schon egal.
Achja, zum Rauchen. Dies ist in Tokyo nicht einfach mir nix dir nix erlaubt. Es gibt eigene RaucherInnenbereiche, auch im Freien. Die Dinger schauen dan in etwa so aus. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme muss mir zwar erstmal wer erklären, aber Japan ist ja weithin bekannt für seine oftmals sinnlosen Regeln, die nur der Regulierung willen existieren.

Rauchen verboten

Rauchen erlaubt

Anyway, nun galt es erstmal die Zeit totzuschlagen, schließlich hatte ich noch ein paar Stunden bis ich meine Unterkunft beziehen konnte. Voll bepackt fuhr ich also nach Shinjuku, ein Stadtviertel. Mich traf dann erstmal fast der Schlag. So. Viele. Leute. Oida O_O. Ja, ich als Landei auf einmal in einer Megacity, na serwas… In Shinjuku gab es dann unzählige Ramen-Shops (Ramen = japanische Nudelsuppe), Pachinko-Läden (Pachinko = ein Glücksspiel), Anime/Manga-Shops und so weiter und so fort. Ich schaute hier und da mal rein, aß das erste Tonkotsu-Ramen (= Schweineknochensuppe mit Nudeln) meines Lebens, schlenderte an einem Auftritt einer mir unbekannten J-Rock-Band vorbei und well, sah auch die Seite Japans, welche man normalerweile nicht in Reiseführern findet. Einige Obdachlose machten es sich auf einer Bank gemütlich, tranken ihren Sake und schauten recht verzweifelt aus. Im Laufe meiner Reise werde ich noch mehr über Obdachlosigkeit und prekäre Verhältnisse in Japan schreiben, also hör ich für jetzt mal auf.

Kitty

Graffity und Müll

Obdachloser

Als nächstes fuhr ich nach Choufu, ein Vorort Tokyos, wo ein Freund der gerade in Wien studiert eine Wohnung hat. Seine Mum war eine der süßesten und nettesten Mamas die ich je kennenlernen durfte. Nicht nur das, sie bekochte mich sogar und erklärte mir die verschiedensten japanischen Gerichte (die meisten davon kannte ich eh schon, aber man will ja nicht unhöflich sein und hört halt interessiert zu :))

Mmmmh

Satt und frisch geduscht entschloss ich mich also, noch einen Spaziergang durch meine Hood zu machen. Ich war müde vom langen Flug und wollte heute früher schlafen gehen. Quasi gleich ums Eck kam ich dann in den „Choufu Ginza“ an. Die Ginza ist ja eigentlich das Tokyoter Luxus/Einkaufsviertel, aber hier war’s einfach eine Kneipenmeile. „Ein Bier geht schon“, dachte ich mir und ging in eine Kneipe rein. Es dauerte keine 5 Minuten, und schon saß ich neben einem super-netten Typen, mit dem ich mich in den nächsten 2 Stunden in meinem gebrochenen Japanisch unterhielt. Wir quatschten, aßen, tranken und ich zeigte ihm, wie man Tschick wutzelt. So nebenher lernte ich noch fast die gesamte Crew der Kneipe kennen. Alles junge Leute in ihren 20ern, die einen Heidenspaß bei der Arbeit hatten. Achja, und im Fernsehen lief Japan gegen Nordkorea, wobei die Nordkoreaner das Spiel 2:1 gewannen. Ich und mein neuer Kumpel waren beide baff, einigten uns aber darauf, dass die Spieler zumindest heute nicht vom Kim umgebracht werden 😉 Alles in allem ein tolles Beisl und wenn ich in 3 Wochen nach meiner Rundreise wieder nachh Tokyo zurückkehre, werde ich fix nochmal hier vorbeischauen :3

Chofu Ginza

Chofu Ginza

Rumblödeln in der Bar

Bar mit Katze :3

Am Heimweg sah ich dann, dass man es zumindest bei Nacht mit den Regeln nicht mehr ganz so ernst nahm. Viele Leute rauchten eine Zigarette dort, wo es eigentlich verboten ist, den Polizisten war es scheissegal, ich zündete mir ebenfalls eine an und fiel daheim leicht betrunken und überglücklich todmüde in mein Bett und schlief sofort ein.

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